Die Sonne brennt erbarmungslos auf das kleine Dorf nahe der Siedlung Los Albaricoques im Naturpark Cabo de Gata nieder. Der rote Staub der heißen, trockenen Erde macht das Atmen schwer und läßt die Landschaft flimmern. Die Tochter des wohlhabendsten Bauern des Dorfes soll verheiratet werden an diesem unerträglichen Tage. Doch sie liebt einen anderen; brennt mit ihm durch. In blindem Zorn über die Schande spürt ihr Bruder die Unglücklichen auf und ersticht vor den Augen der jungen Frau den Geliebten.
Die geplatzte Hochzeit hier in der Wüste Andalusiens wird im Werk des spanischen Dichters Federico García Lorca zur «Bluthochzeit», einem viel gerühmten Drama der 30er Jahre. Dramen wie diese könnten sich überall abgespielt haben. Aber hier, auf diesem Fleckchen Erde zwischen Vulkangestein, tiefblauem Meer und endlosen Weiten scheinen Tragödien die passende Kulisse zu finden.
Die Landschaft im Südosten Andalusiens, am «Kap der Katze» – Cabo de Gata – , erinnert an Szenen aus italo-amerikanischen Western. Kein Wunder, denn viele wurden tatsächlich hier in Südspanien gedreht.
Nicht viele Touristen und Reisende verirren sich hierher. Der große Tourismus mit seinen Hotelburgen und Poollandschaften, Bars und Diskotheken scheint Cabo de Gata vergessen zu haben.
Nur eine knappe Autostunde von Almería, der nächstgrößten Stadt mit Flughafen entfernt, wird der Besucher empfangen von einer einsamen, bizarren Landschaft.
Dass hier viel von dem fehlt, was man allgemein an der sonnigen Küste Südspaniens erwartet, liegt vor allem daran, dass das Kap nordöstlich von Almería seit Ende der 80er Jahren ein Naturpark ist. Zu schützen befand die spanische Regierung diese sensible Vulkanlandschaft, weil sie Heimat zahlreicher seltener Vögel und Pflanzen ist.
Auf den ersten Blick sieht der Fremde vor allem eine wilde Berglandschaft – zerrissen und zerklüftet von jahrtausendealten Lavaströmen, Wind und der erbarmungslosen Sonne Andalusiens. Kaum einen Baum gibt es hier, wenig größere Sträucher. Verschiedene Kakteenarten, niedrige Palmen und struppige Kriechsträucher besiedeln das Land.
Genauso rauh und wild zeigt sich die Küste des Kaps. Zwischen steilen Klippen und steinigen Hügeln allerdings findet man, bewacht von alten Leuchttürmen und Burgruinen, einsame Strände mit herrlich klarem Wasser, das durch die besonderen Auflagen des 26 000 Hektar großen Naturparks um vieles sauberer ist als vor den Hotelzonen der Costa del Sol.
Was einigen Touristen wie die Hölle erscheint, ist für andere das Paradies: Mountainbiker, Wanderer, Taucher und natürlich Urlauber auf der Suche nach einem stillen Platz am Mittelmeer.
Dieses Refugium war früher das Versteck von Piraten und Schmugglern, heute ist es ein Zuhause für viele Künstler und Schriftsteller geworden; natürlich auch für Aussteiger und Spät-Hippies.
Aber nicht jeder hält es hier lange aus. Es heißt, daß manch einer schon nach wenigen Nächten wieder kehrt macht. Die anderen aber werden süchtig und kommen immer wieder. Einheimische sagen, dass das vulkanische Gestein magisch sei und nicht jeder die Macht und die Magie der Steine ertragen kann.
Vor allem im Hochsommer, wenn in der unerträglichen Mittagshitze selbst die kleinen Vögel schweigen, ist es außer am Strand oder in schattigen Felsenhöhlen nicht auszuhalten.
Der einzige größere Ort mit etwas Tourismus, einigen kleinen Hotelanlagen und Bars ist San José. Mit Blick aufs Meer gruppieren sich die weiß getünchten Häuser und Apartments entlang der felsigen Küste im Südosten des Kaps. San José ist beliebter Ausgangspunkt für Wanderungen, Mountainbike- und Jeeptouren zur nahezu unbewohnten Spitze des Kaps.
Auf dem Weg entlang der Küste trifft man südlich von San José auf einen der schönsten Strände Cabo de Gatas: den Playa del Monsul. Zwischen grau-schwarzen Klippen und einer riesigen weißen Wanderdüne liegt der feinsandige Strand eingebettet. Kein Haus und keine Strandkneipe gibt es hier, und dennoch oder gerade deshalb ist der Playa del Monsul unter den wenigen Kap-Touristen längst kein Geheimtipp mehr.
Die Geheimtipps und die totale Einsamkeit findet man im Nordosten des Kaps. Die Dörfer Los Escullos, La Caleta, Las Negras und Rodalquilar haben ihren Charme als abgelegene, kleine Dörfer behalten. Las Negras ist ein romantischer kleiner Fischerort mit Tante-Emma-Läden und ein paar Hippie-Kneipen, die direkt am Strand aus pechschwarzem vulkanischem Sand liegen. Rodalquilar birgt die einzige Goldmine Spaniens, die jedoch in den 60er Jahren aufgegeben wurde. Heute stehen die Mine und ein Teil der ehemaligen Arbeiterhäuser leer und verwildert da und erinnern an Ruinen aus Italo-Western. Dieses Jahr wird in Rodalquilar ein kleiner botanischer Garten eröffnet, der die beheimateten Pflanzen und Gesteine der Region vorstellt. Wenige Fahrradminuten von Rodalquilar entfernt liegt eine ruhige Badebucht am Fuße einer alten Verteidigungsburg, die die Küste vor Piraten und Schmugglern schützen sollte. Darüber erhebt sich die Aussichtskuppe «Punta de la Polacra», auf die eine geteerte Straße führt. Von hier aus hat man bei klarer Sicht einen Ausblick über das gesamte Kap. Rodalquilar eignet sich außerdem hervorragend als Ausgangspunkt für eine etwa zwei- bis dreistündige Wanderung zum Schauplatz der «Bluthochzeit».
Hinter dem Kamm der Sierra de Cabo de Gata liegt die weißgetünchte Kirche, umgeben von verlassenen Stallungen und ein paar Palmen vor den Ausläufern auf der anderen Seite der Sierra. Irgendwo in den Bergen meckert eine Ziege. Ansonsten hört der Wanderer nur das Zirpen der Grillen und das leise Zwitschern der kleinen Kap-Vögel…
Zielflughafen ist der Flughafen der Großstadt Almería. Von hier aus geht es am besten mit einem Mietwagen Richtung Südosten zum Kap. In fast allen Dörfern kann man kleine Fincas und Zimmer mieten, Los Escullos und La Caleta verfügen über gut ausgestattete Campingplätze. Wandern läßt es sich nahezu überall. Keine Zäune und Verbotsschilder säumen die steinigen Wege, lediglich die Natur verbietet gelegentlich durch steile Schluchten und Felsen den Weg. Die Touristenzentren in San José und Rodalquilar sind bei der Planung von Wander- und Radrouten behilflich.
Eine Hommage von Cora Knoblauch